04.01.2021

F-Gase-Verordnung: wann Kühlanlagenbetreiber aktiv werden müssen!

Interview mit den F-Gase-Experten Rainer Henrici und Christian Teller

Die F-Gase-Verordnung hat das Ziel, EU-weit die Emissionen von fluorierten Treibhausgasen zu reduzieren. Wir sprachen mit Rainer Henrici, Senior Project Manager bei Infraserv Höchst, und Christian Teller, zertifizierter Experte für Kältetechnik und angehender Kälteanlagen­bauermeister bei Infraserv Höchst, über die Herausforderungen, vor denen Betreiber von Kälteanlagen in den nächsten Jahren stehen.

Rainer Henrici und Christian Teller / Infraserv Höchst

Seit 1. Januar 2015 ist EU-weit die aktuelle Fassung der F-Gase-Verordnung Nr. 517/2014 in Kraft. Was macht das Thema F-Gase-Verordnung für die Betreiber von Kühlanlagen und die chemische Industrie auch sechs Jahre später noch so brisant?

Rainer Henrici: In der Vorläuferfassung der F-Gase-Verordnung ging es primär um Faktoren wie Anlagendichtheit, Leckage-Erkennung und Recycling. Die neue Version erweitert die Liste der Anwendungsverbote, die sukzessive umgesetzt werden müssen. So ist zum Beispiel seit Jahresbeginn 2020 der Einsatz von Kältemitteln mit einem höheren GWP-Wert als 2.500 kg CO₂ in stationären Neuanlagen untersagt. Auch Frischware darf seitdem in derartigen Bestandsanlagen ab einer bestimmten Füllmenge nicht mehr nachgefüllt werden.

Christian Teller: Eine weitere Neuerung in der aktualisierten Version der Verordnung war die Einführung von Äquivalenzwerten – das heißt die Füllmenge der Kälteanlage × GWP-Wert des Kältemittels. Damit lassen sich Kältemittel hinsichtlich ihres Treibhauspotenzials jetzt für alle Nutzer viel transparenter einordnen.

Rainer Henrici: Ja, das ist vor allem hilfreich, um zu erkennen, wann spätestens Handlungsbedarf besteht und ich mich als Betreiber fragen muss: „Ist eine Umrüstung noch wirtschaftlich oder stelle ich mir gleich was Neues hin?“

Christian Teller: Bei Bestandsanlagen muss den Betreibern klar sein, dass nicht jede Kühlanlage bei einem Defekt repariert oder auf ein alternatives Kältemittel mit niedrigerem GWP-Wert umgestellt werden kann. Falls keine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Umrüstung möglich ist, müssen solche Anlagen ausgetauscht werden.

„Die in der F-Gase-Verordnung festgelegten Pflichten und Verbote werden bis zum Jahr 2030 schrittweise umgesetzt.“

Rainer Henrici: Und da kommt dann eben der sogenannte „Phase-down“ ins Spiel, den die Verordnung vorschreibt. In der chemischen Industrie geht es dabei um Anlagen mit Füllmengen bis in den Tonnenbereich, gerade in der Prozesskälte. Aber auch Anwendungen zum Beispiel in der Laborkühlung, in der Kleinkälte oder in der Klimatisierung sind betroffen.

Welche Konsequenzen bringt der mit der F-Gase-Verordnung verbundene „Phase-down“ mit sich?

Rainer Henrici: Der „Phase-down“ bedeutet, dass die Gesamtmenge an CO₂-Äquivalenzen limitiert ist und schrittweise weiter reduziert wird. Ab 2021 stehen dem EU-Markt lediglich noch 45 % der Menge im Jahr 2015 zur Verfügung …

Christian Teller: … und diese künstliche Verknappung der fluorierten Kältemittel führt natürlich dazu, dass diese zwangsläufig teurer und damit wirtschaftlich unattraktiver werden.

kg CO2-Äquivalent bedeutet: Bei der Emission eines Kilogramms Kältemittel wird der Treibhauseffekt gleichermaßen gesteigert wie bei der Freisetzung mehrerer tausend kg CO2 bei der Verbrennung von Öl oder Gas in einer Heizungsanlage.

Und wie wirkt sich das in der Praxis aus?

Rainer Henrici: Wenn ich als Betreiber auf eine bestimmte Menge an fluoriertem Kältemittel angewiesen bin, dann muss konsequenterweise der spezifische GWP-Wert des Kältemittels reduziert werden.

„Nicht nur Hersteller, Importeure und Vertreiber von teilfluorierten Kohlenwasserstoffen und entsprechenden Anlagen, sondern auch die Betreiber stehen in der Pflicht, die Regelungen der Verordnung umzusetzen.“

Christian Teller: Ich will das mal an einem Beispiel illustrieren: Die inzwischen reglementierten Tieftemperatur-Kältemittel R404A und R507 haben GWP-Werte von ca. 3.900 kg CO₂. Die aktuellen Alternativprodukte R448A und R449A weisen GWP-Werte von ca. 1.400 kg CO₂ auf. In CO₂-Äquivalenten entspricht das bei 18 kg Füllmenge 70 t CO₂ bei den alten Kältemitteln gegenüber 25 t CO₂ bei den aktuellen Alternativen mit vergleichbarem Sicherheitsstandard.

Rainer Henrici: Der „Phase-down“ bringt aber auch in den kommenden Jahren noch einige Herausforderungen. So darf etwa der durchschnittliche GWP eines Kältemittels ab 2021 nur noch 1.000 kg CO₂ betragen.

Was bedeutet das konkret für die Betreiber von Kälteanlagen?

Christian Teller: Der aktuelle Stand des „Phase-downs“ liegt wie gesagt bei einem Niveau von 45 % (2021) auf Basis der Menge von 2015 und soll bis 2030 weiter auf 21 % verringert werden. Die Akzeptanz bei den Unternehmen in der Chemiebranche ist sehr hoch. Die Firmen setzen sich mit der F-Gase-Verordnung auseinander und wollen Umrüstungen von Kälteanlagen auf Kältemittel mit geringeren GWP-Werten, zum Beispiel auf R513A, zeitnah realisieren.

„Es gilt, alternative Kältemittel zu erschließen, um in absehbarer Zeit möglichst ganz auf F-Gase verzichten zu können.“

Rainer Henrici: Betreiber sind künftig noch mehr dazu gezwungen, auf sogenannte „Low-GWP“-Kältemittel auszuweichen. Langfristig gelingt das aber nur, wenn man auch brennbare Kältemittel mit der Sicherheitsklasse A2L in Betracht zieht …

Christian Teller: … und weil man brennbare Kältemittel nicht überall einsetzen kann, gilt es, weitere Alternativen zu erschließen, um möglichst ganz auf F-Gase verzichten zu können. Hier ist dann auch wieder die Forschung gefragt. Auf längere Sicht dürften natürliche Kältemittel wie CO₂ oder Propan mehr in den Fokus rücken.

In welchen Bereichen zeigt die Anwendung der F-Gase-Verordnung bereits Erfolge?

Rainer Henrici: Es hat sich nicht nur einiges in der Bereitstellung von fluorierten „Low-GWP“-Kältemitteln getan, sondern auch die Entwicklung von Anwendungen mit natürlichen Kältemitteln wurde vorangetrieben.

„Viele Supermarktketten setzen heute schon konsequent auf natürliche Kältemittel.“

Christian Teller: Wir beobachten auch, dass Ammoniak als Kältemittel immer mehr an Bedeutung gewinnt, ebenso CO₂. Darüber hinaus eröffnen sich Möglichkeiten mit den natürlichen Kältemitteln Luft und Wasser – das sind heute noch Nischen, aber wer weiß, wo die Entwicklung in den nächsten Jahren hingeht …

Wo liegt aktuell bei der Entwicklung von nachhaltigeren Kältemitteln der akuteste Handlungsbedarf, um mit den Anforderungen der F-Gase-Verordnung Schritt zu halten?

Rainer Henrici: Wichtig sind derzeit Sicherheitskonzepte für brennbare Kältemittel mit geringem GWP-Wert. Die Entwicklung schreitet hier gut voran.

Wo lauern bei der Umsetzung der Verordnung für Betreiber die größten Fallstricke? Welche Aspekte werden von Unternehmen und Betreibern oft vernachlässigt?

Christian Teller: Leider ist noch nicht bei allen Unternehmen angekommen, dass zum Beispiel im Fall einer Undichtigkeit neues Kältemittel nicht einfach so nachgefüllt werden darf. Zunächst muss das Kältemittel abgesaugt und gewogen werden. Anschließend gilt es, die Kälteanlage, egal ob Split-Klimaanlage oder Kaltwassersatz, mit einem Prüfmedium wie Formiergas oder Stickstoff abzudrücken und auf Lecks zu überprüfen. Dann muss wieder die korrekte Füllmenge bestimmt und eingefüllt werden. Das dauert natürlich länger, als wenn man gleich Kältemittel nachfüllt, wie es früher gang und gäbe war.

Rainer Henrici: Fatal kann es auch sein, wenn Betreiber neuen Technologien nicht genügend Aufmerksamkeit widmen. Oft sind bestehende Einrichtungen nur unzureichend auf neue Kältemittel vorbereitet, und dann wird es natürlich schwierig, den Betrieb langfristig aufrechtzuerhalten. Gerade die Verwendung von brennbaren Kältemitteln erweist sich da oft als problematisch.

Christian Teller: Derart langes Zuwarten kann dann schon mal teuer werden. Denn brennbare oder giftige Kältemittel mit niedrigem GWP-Wert erfordern neue Gefährdungsbeurteilungen und besondere Sicherheitsmaßnahmen. Das bringt im Allgemeinen auch hohe Investitionskosten mit sich, die man besser gleich in eine komplett neue Anlage hätte stecken können.

Wie kann Infraserv Höchst Betreiber und Unternehmen bei der optimalen Umsetzung des „Phase-downs“ unterstützen?

Rainer Henrici: Als Spezialisten sowohl im Umweltbereich als auch für Facility Management im Chemie- und Laborbereich sind wir natürlich mit allen Einzelheiten der neuen F-Gase-Verordnung bestens vertraut. Wir können Betreiber daher nicht nur umfassend und rechtzeitig beraten, sondern auch bestehende Anlagen so umrüsten, dass sie mit den derzeit genehmigten Kältemitteln noch eine ganze Weile wirtschaftlich arbeiten. Wo sich das nicht mehr empfiehlt, entwickeln wir auch gern eine neue Lösung.

Christian Teller: Ja, aber die muss dann auch individuell auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten sein. Jede Kälteanlage ist für sich genommen eine Einzelanfertigung. Daher gibt es keine Musterlösung, die wir dem Kunden pauschal aus der Ferne anbieten können. Wir schauen uns jede Anlage vor Ort an, erarbeiten einen oder auch mehrere Ansätze und legen diese dem Kunden samt Angebot vor, idealerweise vor Ort.

Der „Phase-down“ betrifft ja nicht nur Produktion und Betrieb von Kühlanlagen, sondern ganze Lieferketten und Wartungskonzepte bis hin zum Einsatz von speziell zertifiziertem Personal. Damit werden eine frühe Planung und eine klare Strukturierung der Maßnahmen zur Umsetzung erforderlich. Welche Fragen sollten sich Betreiber und Unternehmen hierfür zuerst stellen?

Rainer Henrici: Betreiber von Kühlanlagen sollten zuerst prüfen, wie lange das von ihnen verwendete Kältemittel noch in den benötigten Mengen auf dem Markt verfügbar sein wird. Sie sollten sich frühzeitig Gedanken über Alternativlösungen machen und sich nach Fachfirmen umschauen, die die entsprechenden Umrüstungen vornehmen können.

Christian Teller: Wenn absehbar ist, dass die bestehende Anlage die Anforderungen der F-Gase-Verordnung nicht mehr erfüllen kann, sollte man möglichst schnell einen erfahrenen Anlagenbauer mit ins Boot holen.

Rainer Henrici: Kunden von Infraserv haben dabei natürlich einen Riesenvorteil. Denn unser zertifiziertes Personal wird laufend geschult und ist immer auf dem neuesten Stand. Der Kunde muss sich also nicht mehr selbst um Training und Zertifizierung seiner Mitarbeiter kümmern.

Wie lässt sich die Übergangsphase für Unternehmen möglichst effektiv und wirtschaftlich umsetzen? Wie kann man unausweichliche größere Investitionen am besten abfedern?

Rainer Henrici: Wichtig ist es, rechtzeitig die Weichen für Umrüstung oder Neuanlage zu stellen und die nötigen Investitionsmittel bereitzuhalten oder zu beantragen. Infraserv selbst hat hier für den Bereich der Industriekälte vor einiger Zeit das Programm „Kälte 2025“ aufgelegt.

Christian Teller: Es gibt außerdem noch die Möglichkeit, sogenannte Drop-in-Kältemittel zu verwenden – zum Beispiel R513A mit einem GWP von 675 anstelle von R134a mit GWP-Wert von 1430. Hierbei wird der Großteil der kältetechnischen Komponenten beibehalten. Daher sind die Investitionskosten bei dieser Methode natürlich geringer als bei einem kompletten Austausch der Anlage. Allerdings gilt es, vorher sicherzustellen, dass alle Komponenten der Kälteanlage mit dem neuen Kältemittel und mit dem neuen Öl kompatibel sind. Und man muss sich eben bewusst sein, dass dies nur eine Übergangslösung sein kann.

Rainer Henrici: R134a ist aufgrund des GWP-Werts von 1430 beispielsweise schon ab 2021 ebenfalls vom „Phase-down“ betroffen, eine Mengenverknappung und damit höhere Preise sind zu erwarten. Das heißt, dass man keine Neuanlagen mehr mit diesem Kältemittel installieren sollte, besonders wenn diese für eine längere Nutzungsdauer wie beispielsweise in der Industriekälte vorgesehen sind.

Wie kann Infraserv Höchst die betroffenen Unternehmen/Betreiber über die Umsetzung der Bestimmungen der F-Gase-Verordnung hinaus langfristig begleiten?

Christian Teller: Wir stehen bei Fragen und Problemen unserer Kunden selbstverständlich zur Verfügung und erarbeiten individuelle Lösungen. Egal ob es sich um den Austausch einer Klimaanlage oder den Neubau einer Kälteanlage für ein Rechenzentrum handelt. Die langfristige Verfügbarkeit von Komponenten und Kältemitteln sowie die Energieeffizienz stehen dabei im Vordergrund.

Rainer Henrici: Das Regelwerk der F-Gase-Verordnung ist sehr komplex und birgt die Gefahr, dass es auf Hersteller- und Betreiberseite zu Versäumnissen mit kostspieligen Folgen kommt – bis hin zur Stilllegung der Anlage! Infraserv bietet deshalb für alle Betroffenen ein umfassendes Portfolio an Beratungs- und Unterstützungsleistungen bei der Umsetzung von „Phase-down“ und allen weiteren Maßnahmen, wie etwa der Umrüstung der bestehenden oder der Implementierung einer neuen Anlage oder der Auswahl eines zukunftssicheren Kältemittels.

Christian Teller: Wir prüfen gerne alle Herstellerdokumente einer Bestandsanlage und werfen einen genauen Blick auf ihr Innenleben, um sie hinsichtlich der Bestimmungen der F-Gase-Verordnung zu bewerten – inklusive Messungen und Dichtheitsprüfungen. Anschließend zeigen wir Optimierungspotenziale und Möglichkeiten zur Energieeinsparung auf …

Rainer Henrici: … und sollte die Anlage tatsächlich veraltet sein, übernehmen wir gern die Neuplanung – und legen dabei wie gesagt besonderen Wert auf einen wirtschaftlichen Betrieb und die langfristige Versorgungssicherheit.

Herr Henrici, Herr Teller, wir bedanken uns für das aufschlussreiche Gespräch!

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